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TÖRN 164.20 – Position 29.08.2020

Datum:                           29.08.2020

Mittagsposition:           zu Anker, westliche Ostsee. Zehn Meilen südlich Trelleborg
Das Wetter:                   ruhig, leichter Wind aus Südost, kein Niederschlag, sehr gute Sicht

Tornados und sonstiges Wetter

Wir lagen südlich Trelleborg vor Anker und hatten eine friedliche Nacht verbracht in leichter Windsee bei guter Sicht. Um vier Uhr kam ich auf Wache und alles war prima. Der Anker trug. Wir hatten ihn am späten Abend mit vier Schäkeln zu Wasser auf guten Ankergrund gelegt und so sahen wir einer ruhigen Wache entgegen.

Kurz nach sieben Uhr kam im Südosten eine tiefschwarze Regenfront auf. Dann meldete der Ausguck, das im westlichen Ausläufer aus der schwarzen Wolke heraus sich eine Wasserhose bildet. Alle schauten gebannt zu, wie sehr deutlich ein „Tornado“ seinen „Rüssel“ auf die Wasseroberfläche hinunter ausformte. Dort wurde das Wasser u-förmig aufgewirbelt und drehte sich um den Bodenpunkt, genau so, wie man es aus Filmen kennt. Soweit schon einmal spektakulär genug, um in der Messe anzurufen und den Kapt und die Crew zu informieren.

Doch es kam noch viel besser: die Front zog in unsere Richtung und es bildeten sich nacheinander insgesamt sechs Tromben. Da die Windgeschwindigkeit am Bodenpunkt sehr hoch war -wie wir unschwer an den hochgewirbelten und sich drehenden Wassermassen erkennen konnten- und es nicht auszuschließen war, dass uns eine der Wirbel überläuft, ordnete der Kapitän die Maschine und das Bugstrahl sowie den Seeverschlusszustand für schweres Wetter an. Zugleich wurde die Besatzung informiert und alle an Deck befindlichen unter die Back beordert.

Es wurde dunkel und die Tromben bewegten sich oben an der Wolkenunterkante gleichmäßig nach Nordwest. Die Wasserwirbel auf der Wasseroberfläche jedoch liefen ohne erkennbare Regel in alle möglichen Richtungen, wobei sich die Tromben s-förmig verbogen.

Der letzte der Reihe kam uns nah und zog ca. zwei bis drei Kabellängen am Heck vorbei. Erstaunlicherweise änderte sich sogar auf diese kurze Entfernung am Wind an Deck nichts. Die Grenze der hohen Windgeschwindigkeiten konnten wir an der aufgewirbelten Gischt deutlich erkennen und das Brausen auch hören.

Eine halbe Stunde später war der Himmel wieder hell und alles friedlich.

Was für ein Erlebnis!

Später hievten wir bei leichtem Wind und angenehmen Temperaturen unseren Anker, als aus einer „normalen“ Wolke binnen Minuten eine Sturmböe wurde, die uns mit Bft 8-9 und entsprechender Windsee sowie Starkregen überraschte. Mit Maschine und Hartruderlagen sowie Bugstrahl wurde das Ankerspill entlastet, indem dem Anker entgegengefahren wurde. Niemand auf der Back und dem Fahrstand war auf derartiges Wetter eingerichtet und so wurden wir alle bis auf die Unterwäsche durchnässt. Als dann der Anker in der Klüse war, war der Regen und der Wind durch und wir steuerten in bestem Wetter friedlich auf unseren vorgesehenen Kurs ein.

Beide Ereignisse zeigten uns sehr nah, persönlich und anschaulich, wie wichtig allseitige gute Seemannschaft und eine eingespielte Mannschaft sind.

Die derzeitige Besatzung ist eine solche. Prima!

Ralf Guetlein, 1. Strm