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34023 – 16.06.2023 – Munteres Bordleben, nur mit Fahrtwind – vierter Tag

Unsere Abendwache von 20:00 Uhr bis 0:00 Uhr startet mit leichtem Regen. In voller Montur holen wir Segel nieder und brassen, um dann in unserer Morgenwache von 8:00 bis 12:00 Uhr bei praller Sonne und einer dicken Schicht Sonnencreme erneut nach Backbord zu brassen, Segel zur Übung für unsere Leichtmatrosen-Anwärter zu setzen und niederzuholen. Das gibt Muckis, dachte sich der 1. Steuermann und versuchte die Fock ganz allein zu brassen. Fast hätte er es geschafft. Und irgendetwas war noch anders als noch vor 12 Sunden. Das Brassen geht mit vielen Leuten leichter von der Hand. Was haben wir gelernt? „Du musst auch loslassen können! Gut gefiert ist das halbe Leben.“ Und wieder war Wasser an Deck, diesmal nicht der Regen, sondern unser Schweiß. Und auch in unserer Abendwache spielte Wasser an Deck eine Rolle. Wir haben das Poopdeck mit dem Kärcher, Schrubbern und Abziehern von Insekten-Leichen gereinigt. Allein das sagt schon viel über die Windverhältnisse aus.  Zumindest dient bei Windstärke 1 die Lüftung der Maschine beim Kartenhaus als unauffällige Ventilation der Achselhöhlen.

Unser Smutje hat uns Mittags mit Fisch in Spiegelschrift überrascht. Zum Kaffee gab es leckere selbstgebackene Makronen und Schweinsöhrchen; zum Ausgleich, dass wir heute mal keinen Geburtstag feiern. Insgesamt fünf Geburtstagskinder sind auf diesem Törn an Board. Mal sehen, wann uns die Erdbeeren für den Kuchen ausgehen. Der Tagesablauf ist hart durch die Mahlzeiten und dem Weckdienst getaktet. Um den Schlafmangel auszugleichen, empfehle ich einen erholsamen Mittagsschlaf, an den ich mich glatt gewöhnen könnte.

In der Freiwache genießen viele die Sonne. Beschäftigung gibt es viele: Lesen, Yoga im Dorfgemeinschaftsraum, Klettern im Rigg, Tampen tauschen. Für technisch Interessierte gibt es Führungen in der Kläranlage und im Maschinenraum. Heute wurde der Fettabscheider gereinigt: „Riecht nach Bauernhof, nur in fettig!“ Muss einmal im Monat sein.

Unser Bootsi knüpft gern Anker und zeigt uns, wie wir am effektivsten Taue vorbereiten und zwar in gelegten Achten. Andere unterstützen die Verwalterin bei der Inventur der „Schnapskiste“, denn morgen ist Bordverkauf. So dachte jedenfalls einer unserer Trainees, der bereitwillig Excellisten ausfüllte. Satt Rumbuddeln oder Riga Black Balsam, wurden die Alex-Devotialien der „Schlappskiste“ gezählt. Um 19:00 Uhr ist von den beiden nicht-wachhabenden Steuermänner eine Soiree angesetzt:  Seemannslieder, Popsongs und weiteres deutsches Liedgut werden von Gitarre oder Akkordeon begleitet, Vorlesen aus Erlebnisberichten aus der Seefahrt und Gedichte werden geboten. Nies Randers darf nicht fehlen!

Die Nachricht des Tages, war die Ankündigung, dass wir keinen Liegeplatz in Kopenhagen bekommen. Stattdessen fahren wir nach Kalundborg, um Treibstoff zu bunkern. Großes Rätselraten: Wie schreibt sich das? Wo liegt der Ort eigentlich? Was gibt´s da zu sehen? Da waren wir noch nicht, da müssen wir mal hin. Dieser Hafen wird sonst nicht angefahren, nur für uns. Ganz sicher ein landschaftlich schöner, strategisch gelegener Hafen, den die Wikinger genutzt haben. Kunsthistorische Führungen werden von unser Matrosin vorbereitet; eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert und einige Fachwerkhäuser zeugen von der alten Siedlungsgeschichte. Und schon werden die Hafenwachen für Sonntag, unserer geplanten Ankunft eingeteilt.

Was ich für Land hielt, stellte sich als eine Nebelwand heraus, die zielstrebig auf uns zu walzte. Der Wind dreht um 17 Uhr von Ooost auf Nord und dann sehen wir nichts mehr. Der Anblick ist mystisch! Ohne Wind hieß es Knotenlehre. Ich kenne jetzt drei Wege, um den Palsteg zu knüpfen. Einen davon nehme ich mir fest vor zu merken.  Während unserer Wache von 20:00 bis 0:00 Uhr ist der Nebel so dick, das wir hören müssen, was bei all den verschiedenen Lüftungen schwierig ist. Doppelter Ausguck und 30 minütiger Wechsel auch am Steuerrad, soll unsere Aufmerksamkeitsspanne hochhalten. Da wir neben der „Schiffsautobahn“ fahren, begleitet uns das Nebelhorn eines großen Dampfers.

Eine lehrreiche Weiterfahrt wünscht

Anja Nina, Trainee (8-12 Wache)

 

Törn:   34023

Datum:   16.06.23

Mittagsposition:   55°57,2` N 016°54,8` E

Wetter:    Pralle Sonne, der Wind weht nicht /Nebel