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TÖRN 181.20 – Position 21.10.2020

Mittagsposition:           055°06,5‘ N   015°29,1‘ E

Das Wetter:                    Luft 13 °, Wind SSW 5 Bft, bedeckt

Leinen los unter Segeln

Ein Marineoffizier gehört auf See. Damit die zukünftigen Offiziere sich mit dem Wasser und den Elementen vertraut machen können, ging es nach mehrwöchiger Vorausbildung im Segeln und in der Nautik am Freitagnachmittag für 18 junge Anwärter an Bord der „Alexander von Humboldt II.“. Vorab standen noch Einweisungen, Belehrungen und der Corona-Test auf der Tagesordnung. Zu den Schülern gingen noch die Stammbesatzung der liebevoll genannten „Alex“, sowie unterstützendes Personal der „Gorch Fock“-Besatzung an Bord. Für die jungen Anwärter eine unbekannte Welt: enge Flure, die Decks genannt werden, die Stube heißt jetzt Kammer und ist gerade groß genug, um sich darin umzudrehen, und statt der Kantine gibt es eine Messe. Am Samstag standen dann noch die Wacheinteilungen, der obligatorische Probeaufstieg in die Takelage, Proviantübernahme und die erste Hafenwache auf dem Programm.

Sonntagvormittag hieß es dann endlich Leinen los! Unter Segeln, ohne Unterstützung der Maschinenanlage, verließen wir die Tirpitzmole des Marinestützpunktes in Kiel – ein Manöver, das nur bei perfekten Windbedingungen gelingen kann. Dazu packten alle Mitglieder der Besatzung fleißig mit an: Segeln auf einem Segelschiff funktioniert nur im Team!

Mit westlichen Winden folgten wir die kommenden Tage der deutschen Ostseeküste, an Fehmarn, Rügen und Usedom vorbei und erreichten am Mittwoch unser Segelgebiet für die kommenden Tage zwischen Bornholm und der Polnischen Küste. Auf der Passage dorthin trafen wird nicht nur eine Korvette der Deutschen Marine, sondern auch das russische Segelschulschiff „Mir“. Außerdem wurden wir von einem Kampfflugzeug der Luftwaffe und einem Seefernaufklärer der Marine überflogen. Für die Offiziersanwärter eine große Show.

Vor Ort angekommen standen das Notmanöver „Person über Bord“ an, und die ersten Halsen wurden gefahren. Hierbei kommt es auf die Zusammenarbeit und Geschwindigkeit im Team an. Für Mittwochabend wurden dann der Wind schneller: Windstärke 8 herrschte zeitweise vor. Für die jungen Offiziersanwärter im gesamten Schiff endete hiermit die Seefahrerromantik mit entspanntem Hin- und Herschaukeln. Die stehende Wache verkleinerte die Segelfläche, damit das Schiff ruhiger im Wasser liegt und die Böen das Schiff nicht vom Kurs abbringen können. Hierzu musste das Segel in der Takelage gesichert werden. Vier mutige Besatzungsmitglieder erklommen dazu noch in der Nacht am vorderen Mast die Wanten und befestigten das Segel. Dabei kam dem einen oder anderen Anwärter zugute, dass er nicht weit gucken konnte: So kann man die Höhe über dem Deck, in der man arbeitet, gar nicht erkennen. Dennoch wurde hierbei jedem bewusst, dass die Sicherung das A und O beim Aufentern ist.

Gleichzeitig wurde unter Deck die ruhende Besatzung mit einer neuen Form der Seekrankheit konfrontiert: Zwar litten schon vorher vor allem die jungen Offiziersanwärter, doch dies nahm jetzt doch andere Dimensionen an: Nicht nur Kopfschmerzen oder Müdigkeit waren Symptome; ab und an fand man auch jemanden an der Reling stehen (an der Lee-Seite – versteht sich). Die Bordärztin war Stunden damit beschäftigt, Medikamente und kleine Pflaster, die hinterm Ohr das Gleichgewichtsorgan betäuben, auszugeben. Auch das Schlafen in der Koje stelle die Seemänner und Seefrauen vor neue Herausforderungen. Entweder schlief man an der Holzleiste (Leebrett), die einen vor einem Sturz aus dem Bett bewahrte, oder die Nacht über musste man mit der Wand kuscheln. Erholsam konnte der Schlaf dennoch sein: Das Schaukeln des Schiffes kam dem Wiegen aus früheren Tagen doch sehr nahe.

Am Morgen des Donnerstages ging dann die Sonne malerischer am Horizont auf, eine kleine Belohnung für die vermeintlichen Strapazen. Zitat des Wachoffiziers: „Auf meinem Frühstückstisch konnte die Milchtüte noch stehen. Das hier ist noch gar nichts. Schlimm wird es erst, wenn wir die Cornflakes vom Boden essen müssen.“ So unterschiedlich können die Wahrnehmungen sein…

 

Viele Grüße von Kapitän Klaus, seiner Crew und Berichterstatter Moritz Hoesch