Tagesbericht 12.08.2019
Törn: 139.19
Datum: 12.08.2019
Mittagsposition: 46° 45,4` N – 7° 43,6` W, Atlantik, 120 SM westlich Bretagne
Das Wetter: freundlich, Sonne und Wolken, 18°C, leichter Wind aus NW
Titel/Überschrif: Drei Seesterne für die Küche
Gestern hatte ich meinen Bericht mit der Bitte geschlossen, ein gutes Wort beim Wettergott für uns einzulegen. Danke, hat geklappt.
Nachdem wir in die Flaute gerauscht waren, der wir nicht ausweichen konnten, mussten wir alle Segel streichen und sind die ganze Nacht unter Maschine gefahren. Sowas tut Segelenthusiasten in der Seele weh. Zwischen zwanzig Uhr und Mitternacht schien es zunächst aber noch so, als käme ein segelbarer Wind auf. Also so viel Tuch an die Rahen wie möglich und gebannt warten, was es bringt. War nix. Zu wenig Fahrt. So kam meine 8-12-Wache zu der Chance, alles, was sie hochgezogen hatte, wieder runterzuholen. Wir haben das Fieren, Brassen, Holen und Belegen aber wohl so flott hinbekommen, dass eine sehr glückliche Topsmatrosin Julia vorm Schlafengehen eine Runde Bier schmiss.
Überraschung heute Morgen: Es strich eine schöne Brise aus der Keltischen See kommend südwärts und animierte den Kapitän, erneut die Segel setzen zu lassen. An Vor- und Großmast stehen alle fünf Segel und am Vormittag haben wir die drei Tücher des Besan dazu gesetzt. Mehr als drei Windstärken lieferte uns die Biskaya zwar nicht, aber es reicht für gute fünf Knoten Fahrt. Da kommt unter den Trainees, die nicht gerade auf Wache sind, Urlaubsstimmung auf und das sanfte Wiegen der Alex lässt die Wachen, die nachts Dienst geschoben haben, schlafen wie in Abrahams Schoß. Der Kurs geht weiterhin nach Südost, direkt auf Bilbao zu.
Am Vormittag war zu beobachten, was auf Schiffen, weit weg von spezialisierten Handwerkern, alles selbst bewältigt werden muss. Zuständig dafür ist seit Urzeiten der Bootsmann. An ein zolldickes geflochtenes Stahlseil musste ein Auge angespleißt werden. Da hat Kapitän Klaus seine jahrzehntelange Erfahrung aus- und beim Spleißen mit angepackt – nachdem Julia den Jungs gezeigt hat, wie man ein solches Monsterseil mit dem Bolzenschneider kürzt. Geht alles. Am frühen Nachmittag zeigte Bordarzt Rüdiger seine Entertainer-Qualitäten bei einer Erste-Hilfe-Schulung. Man könnte sachlich exakt beschreiben, wie jemand, dem das Essen in die Luftröhre geraten ist, sich fühlt. Oder es so machen wie Doc Rüdiger: mit schauspielerischem Elan so anschaulich demonstrieren, dass die vielen Lernwilligen es nicht so leicht vergessen. Eine Schulung mit Lerneffekt.
Heute wird es mal Zeit, ein paar lobende Worte zu Olaf und Andreas, unsere beiden Köche, zu verlieren. Beeindruckend, was sie jeden Tag wieder auf die Tische bringen. Keiner an Bord erwartet Kreuzfahrt-Schlemmerei. Hier gibt´s gehoben Hausmannskost – einfach lecker. Labskaus wurde heute Mittag zum Beispiel ausgegeben. Das traditionelle Seemannsgericht wird ja gern von selbsternannten Feinschmeckern belächelt oder sogar runtergemacht. Bei uns gab es die klassische Variante mit frisch gekochtem Rindfleisch, Gewürzgurke und Spiegelei, die Roten Beete süßsauer geraspelt dazu. Sehr schmackhaft. Oder gestern Abend: Ein Chilli con Carne – perfekt. Für diese Gerichte ist Olaf zuständig. Andreas ist gelernter Konditor. Das merken wir nicht nur, wenn es morgens und abends frisches Brot oder Brötchen, auch immer wieder in verschiedenen Varianten gibt, sondern vor allem zum Kaffee, wenn er uns mit frisch gebackenem Kuchen verwöhnt. Drei Seesterne!
So viel für heute. Viele Grüße von der Crew der Alex-2
Aufgezeichnet von Wolbert