Törn: 339.22
Datum: 30.09.2022
Mittagsposition: passieren Tonne 78 auf der Weser
Das Wetter: Sonnig, leichte Brise, 17°C um die Mittagszeit
Tagesfahrt auf der Brücke
Moin liebe ALEX II-Freunde,
heute mal wieder ein Bericht von der Brücke.
Zunächst wurde ich heute früh mit einem schönen Kinderlied durch unseren Maschinisten um 05:30 Uhr geweckt. Was so früh??? Ja, wir auf der ALEX II können auch das. Da ich mich als Maschinist gemustert war, bin ich frohen Mutes in meine Latzhose gesprungen, ohne mir den Kopf am Leebrett anzustoßen, was bei meiner Größe auch echt ein Kunststück wäre.
Dann beim Frühstück die Überraschung für mich. Aber Maschinisten können ja alles. Ich werde heute als erster Offizier fahren und somit als Sicherheitsverantwortlicher und Einsatzleiter. Mal schauen ob ich es nicht hinbekomme, dass wir auf der Weser ein groß angelegtes Evakuierungsprogramm starten können. Also, jetzt erstmal raus aus den Klamotten, rein in die Klamotten. Auf die Schnelle noch eine Bluse besorgt, so dass ich neben den anderen Nautikern genauso schnicke aussehe und schon ging‘s an die Vorbereitung des Tagestörns.
Eigentlich hatte ich ja als überzähliger Maschinist vor, mich heute in die Abwasserbehandlung zu verkriechen und dort unsere Leuchtmittel, Vakuumpumpen und Kabellängen zu zählen. Schade, nun muss die Inventur leeeeiiiiiddddder warten. Vielleicht berichtige ich die nächsten paar Tage mal davon. Dann bekommt Ihr schöne Bilder von unseren vielen Ersatzteilen zu sehen. So, nun aber genug von der Maschine, Ihr seht mein Herz hängt da ein gaaannnnzzzz kleines bisschen dran. Also auf zur Brücke und sehen was dort Spannendes passiert.
Also, 05:30 Uhr war allgemeines Wecken und um 06:00 Uhr saßen wir beim Frühstück, wo auch gleich das Briefing durchgeführt wurde. Um 06:05 Uhr stand dann auch schon das Catering an der Pier. Die müssen sich ins Zeug legen, um mit unseren Smuts mithalten zu können. Habt Ihr von unserem Hamburger gestern Abend gehört? Mannnnnnn, was für ein Essen. Aber ich schweife schon wieder ab. Ab sieben kamen die Gäste an Bord und eine halbe Stunde später wurde die Gangway weggenommen. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Aber es fährt ja auch alle halbe Stunde ein Zug nach Bremerhaven. Nur, so nebenbei erwähnt, falls jemand meint, Seefahrt ist nichts für ihn. Ihr seht, ich schweife schon wieder ab. Mal wieder.
Wo war ich? Ach ja, Gangway war weg und die Tagesgäste erhielten in sieben Gruppen die Sicherheitseinweisung, sodass wir um 07:45 Uhr „alle Leinen los und ein, vorn und achtern“ in die Brückenkladde eintragen konnten. Bis 08:30 Uhr haben wir das Feld von hinten einmal überrollt. Wir haben wie bei einer Regatta alle Schiffe überholt, da wir hinter der ATAIR das Führungsschiff der heutigen Parade sind.
Pünktlich hat sich die Parade auf den Weg gemacht, aber irgendjemand muss sich ganz erheblich verrechnet haben. Der Zeitplan klappt vorne und hinten nicht. Ich meine, die Rechnung ist auch nicht ganz einfach Strömung der Weser, die Gezeiten, maximale und minimale Geschwindigkeit aller Schiffe berücksichtigen, der normale Schiffsverkehr, Motor- und Segelschiffe unter einen Hut bekommen, kreuzende Fähren und und und. Außerdem gibt auch noch so Boote, die sich einfach nicht an die Aufstellung halten. So wurden wir bereits nach den ersten 100 Metern von unserm Platz zwei auf Platz drei verdrängt. Wir entwerfen gerade noch einen Schlachtplan, wie wir das Boot versenken… An der Kartoffelkanone wird schon gebaut. Allerdings sind wir dann in unserer Bewaffnung eindeutig dem anderen Boot unterlegen, die haben nämlich ganz offiziell Kanonen an Bord. Wir tüfteln weiter.
In der Zwischenzeit gleiten wir sanft mit der Strömung die Weser runter und nähern uns mit großen Segelflächen Bremerhaven. Ja richtig, wir haben Segel gesetzt, ganze sieben Segeln stehen grün und gefüllt an unseren drei Masten. Die Tagesgäste führen nette und wichtige Gespräche, während die Stammcrew ihren Spaß hat. Der ein oder andere Tagesgast findet hier an Bord alte Bekannte wieder, so dass auch mal eine persönliche Maschinenraumführung dabei rausspringt. Die Geschwindigkeit und das Paradefahren haben sich mittlerweile eingespielt und so genießen wir diesen sonnigen Tag auf der Weser.
Auch unter Deck war die Stimmung sehr besinnlich, so wird der Stammcrew leckerer Labskaus kredenzt. Mit Nachtisch – eigentlich ein Grund seine Zeit extra lange in der Messe zu verbringen um auf diverse Nachschläge zu hoffen. Leider endet dieses Vergnügen sehr jäh, da die Senatorin für Wissenschaft und Häfen an Bord kommt. Also Lotsenleiter ausbringen und den beiden Gästen an Bord helfen. Sie geht aber noch vor 14 Uhr von Bord, sodass wir den Kaffee und Kuchen ohne Unterbrechung genießen konnten.
Leider hat jedes Vergnügen sein Ende. Unseres beginnt mit dem Bergen der Segel und dem Passieren der zerlegten Mole zur Geeste. Wir schleusen zusammen mit der WAL, BGM OSWALD-ELBE 1 und der GROßHERZOGIN ELISABETH über die Neue Schleuse und die Klappbbrücke in den Neuen Hafen, wo wir um 17:12 Uhr festmachen. Unsere Tagesgäste und auch das Cateringpersonal verlassen uns. Wir schlichten noch kurz einen Streit, wer welchen Schrubber zum Reinschiff bekommt, da sich da nochmal alle Austoben möchten, schließlich hat uns der heutige Tag überhaupt nicht gefordert. Den Abend lassen wir gemütlich an Deck ausklingen. Ich habe noch mit dem Kapitän die Bestechungsgelder verhandelt, so dass ich morgen definitiv in der Maschine fahren darf.
Viele Grüße in die Rhön,
Katrin