Datum: 01.04.2021 – Donnerstag
Mittagsposition: 20 sm östlich der Südspitze Norwegens
Das Wetter: strahlend blauer Himmel
Sonnenaufgang auf See
„Guten Morgen lieber Rainer, es ist 7 Uhr.“ Und da war er wieder, der mittlerweile gewohnte und wenn er dann nicht stattfindet, fast schon vermisste, charmante Weckdienst von Sandra. „Wir haben 5 Grad, es ist trocken. Der Wind weht mit 4 Beaufort. Deine Wache beginnt um 8 Uhr. Und gerade geht die Sonne hinter dem Horizont auf.“
Obwohl ich nach ca. 6 Stunden Schlaf noch etwas kaputt war, hat mich der letzte Satz von Sandra sozusagen aus dem Bett katapuliert. Ich habe mir mein Multifunktionswerkzeug, manche nennen es auch Telefon oder einfach Handy, gegriffen und wollte aus dem Bullauge, unseres Kajütenfensters ein Bild schießen. Da wir gegen Süden fuhren und unsere Kajüte auf der Steuerbordseite, also auf der rechten Schiffsseite liegt, schaute ich nach Westen. Hm … bzw. OK, im Westen geht die Sonne unter und im Osten auf. Ich war doch noch nicht ganz wach. Also schnell Zähne geputzt, Katzenwäsche gemacht, wie so oft morgens – kein Kommentar bitte – angezogen und ab an Deck. Es hat sich gelohnt. Ein traumhafter Sonnenaufgang. Der Himmel leuchtete in allen Farben. Ich habe mehrere Fotos gemacht und dachte so bei mir: Ja, das ist unter anderem einer der Gründe, warum du segelst und warum du hier bist.
Da wir sehr gut in der Zeit lagen bzw. liegen was unseren Törnverlauf betrifft, hat unser Kapitän eine Lagebesprechung mit den Steuermännern angesetzt und überlegt bzw. geplant, wie die zweite Woche unseres Törns gestaltet werden könnte, wenn wir dann, voraussichtlich am Samstag, gebunkert, also Treibstoff getankt hatten. Da wir Corona-bedingt in Travemünde nicht einlaufen dürfen und somit nicht in die Ostsee fahren, bleiben wir in der Nordsee.
Es gab wohl die eine oder andere Überlegung, allerdings fand der Vorschlag von Kapitän Tilman wohl relativ schnell Zustimmung, doch nicht nach Helgoland sondern nach England zu fahren. Zum einen ist dies eine schöne Segelstrecke, die auch gut bewältigen ist. Zum anderen kam über das Büro der Alex-2 die Meldung rein, dass die Briten aufgrund der Corona-Situation und dem Streit mit der EU über die Liefermengen des Impfstoffs Astra Zeneca bzw. dessen Verteilung, allen Inseleuropäern das Angebot machen, nach Großbritannien zu kommen und sich dort impfen zu lassen. Auf eigene Kosten und gegen Bezahlung natürlich. Die Impfung soll wohl 240 Pfund, das sind umgerechnet ca. 280-290 EUR kosten. Kein Pappenstiel, aber schon in „Asterix und die Briten“ war zu lesen, dass nicht nur die Römer, sondern auch die Briten spinnen.
Sofort sprach sich das Angebot in der gesamten Mannschaft rum. Es wurde diskutiert, ob der Preis wohl angemessen ist. Andere haderten mit dem Impfstoff. Letztendlich ist ja „nur“ ein Angebot und es ist keiner verpflichtet, dieses anzunehmen. Am Ende entscheidet jeder selbst. Mal sehen, wie das ausgeht.
Morgen habe ich Backschaft – mal sehen von wem und auf welche Art und Weise ich geweckt werde.
01.04.2021, Rainer Merkhofer