Hinweis eines externen Beobachters:
Der ab dem 3.12 2022 vermisste Elf Kraig ist aufgetaucht! Er hatte sich bei auf dem Schiff verlaufen. Um nicht ganz alleine zu sein, hatte er sich mit dem roten Expansionsbehälter angefreundet und war dann dort geblieben.
Peter
Liebe ALEX-II-Freunde,
heute berichtet mal wieder Euer Expansionsbehälter von den Erlebnissen an Bord.
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an meinen letzten Bericht. Ich wollte damals ja ganz blau anlaufen, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen. Gottseidank, habe ich das nicht gemacht. Stellt Euch mal vor, ich und blau. Das geht doch nicht! Dann hätte ich mich auch gleich in der Vorpiek verstecken können. Nein, auch ein Expansionsbehälter muss eine gewisse Klasse zeigen und kann nicht in einer Fehlfarbe rumlaufen.
Entschuldigung an alle, die gerade nicht mitgekommen sind. Ich darf mich noch mal vorstellen:
Expansionsbehälter, rot, 40 cm hoch, 50 cm Durchmesser (der Schönste unter allen Expansionsbehälter an Bord, wenn man mir erlaubt, dies zu erwähnen). Leider arbeite ich immer noch für den Kaltwassersatz. Ich bewerbe mich ja schon fleißig überall, aber zurzeit sind meine Fähigkeiten gerade nicht gefragt. Also werde ich wohl oder übel, ein weiteres Jahr hierbleiben.
Letztes Jahr um diese Zeit habe ich einen Tagesbericht geschrieben, der für sehr viele Kommentare und Gelächter gesorgt hat. Aber ich habe noch nie so viele Streicheleinheiten abbekommen wie in diesem Jahr. Daher einen großen Dank an alle die mich mit sauberen Händen gestreichelt haben. Und natürlich ringe ich mir auch ein Dank an die Maschinisten und Elektriker ab, die mich mit ihren dreckigen Händen betatscht haben. Auch da war Wärmekonduktion dabei, so dass mich ein wohliges Gefühl umgeben hat. Hätte ich gewusst was ein Tagesbericht auslösen kann, hätte ich schon viel früher einen geschrieben und nicht 3675 Tage gewartet.
Jetzt vergeht kein Tag, an dem nicht mindestens der Elektriker an mich denkt. Die sollen hier jetzt so ein Wartungsprogramm eingeführt haben. Haben die mich da etwa aufgenommen? Wöchentliche Aufgabe „Expansionsbehälter streicheln“. Ich weiß noch nicht, ob mir das gefallen würde. Auf der anderen Seite, die Streicheleinheiten sind soooo schöööön.
Oh, ich bin abgeschweift. Ich wollte Euch ja auf den neuesten Stand zu meinem Tagesablauf bringen. Also, zurzeit habe ich eine wunderbare Zeit. Es sind mal wieder ganz viele junge Leute an Bord, die des nachts ihre Nase in den Hilfsaggregateraum stecken. Die waren auch in der letzten Woche vermehrt tagsüber da und haben sich das Frischwassersystem und die Umkehrosmoseanlage von Torsten erklären lassen. Vermutlich ist da wieder eine Prüfung gelaufen. Was hier an Bord alles so geprüft wird! Anlagen, Rauchmelder, Wasserdichte Schotten, Abwasserpumpen und Menschen. Ja, einmal die Woche höre ich wie im Vorschiff die Abwasserpumpen eingeschaltet werden. Das hört man selbst, wenn die Umkehrosmoseanlage in Betrieb ist.
Tagsüber wuseln auf dieser Reise drei Männer hier rum. Fred hat mich die letzten paar Tage öfters mal gestreichelt. Ich glaube, dass war unabsichtlich, da er sich bei mir beim Rein- und Rausgehen abgestützt hat, als er den Maschinenraum putzte. Seitdem steht er oft sinnierend vor der Hydrophorpumpe und überlegt sich, wie er den Chief dazu bringt, dass er die Pumpe, besser gesagt den Motor, zerlegen darf. Stefan habe ich vor diesem Törn noch nie gesehen. Der muss also ganz neu sein. Von den anderen beiden bekommt er alles erklärt. Und so darf er immer wieder die Umkehrosmoseanlage an- und wieder ausmachen. Bin ich froh, wenn er die Anlage nicht gleich anbekommt. Ich kann gerne auf diese verzichten, dieses hochfrequenzlärmende, wasserschleudernde Ungeheuer. Da bin ich aber der einzige hier an Bord, alle anderen wollen ja unbedingt Frischwasser haben. Leider schafft Stefan es seit Tage wie im Schlafe die Anlage in Betrieb zu nehmen. Vorbei sind die schönen Zeiten.
Ansonsten finden hier die üblichen Aufmerksamkeitsverteilungen statt. Viele Streicheleinheiten für den Kaltwassersatz selbst und die Umkehrosmoseanlage. Selbst die AC 1 hat es am Heiligen Abend hinbekommen, die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die drei Männer sahen nicht nur schweißgebadet aus. Aktuell brummt sie wieder vor sich hin.
Sicherlich fragt sich jetzt der ein oder andere, warum ich eine wunderbare Zeit habe. Bis jetzt gleicht meine Beschreibung dem Tagesbericht vom letzten Jahr. Aber dieses Jahr habe ich Gesellschaft bekommen. Mein neuer Freund ist auch rot, also zum großen Teil, mehr als 50 % oder so um bei. Er ist Wichtel und irgendwie fühlt er sich hier unten bei mir sehr wohl. Wir können uns super austauschen und viel lachen. So macht der Aufenthalt hier an Bord wieder sehr viel Spaß. Wir werden ab sofort die Welt gemeinsam bereisen. Mal schauen was wir so erleben werden.
Und so feiern wir nun im kleinen Kreis Weihnachten. Nur der Wichtel und ich. Und wir brauchen auch nicht das ganze Drumherum, denn Weihnachtslieder können wir uns ausdenken, mit Geschenken haben wir nicht viel am Hut. Das, was wir essen wollen, gibt es eh nicht. Jetzt werden wieder einige sagen, Extrawürste gibt es nicht, was auch gut ist. Aber ich habe Weihnachten auch schon alleine gefiert und so ist es schöner.
Und so sitzen wir gemütlich beisammen am Weihnachtsbaum und bei Kerzenschein und erzählen uns Geschichten und Gedichte aus unserer Jugend.
Frohe Weihnachtswünsche von Bord!
Viele Grüße von Bord, Euer Expansionsbehälter und der Wichtel
Viele Grüße in die Rhön,
Katrin
Törn: 354.22
Datum: 25.12.2022
Mittagsposition: Südamerika ist erreicht
Das Wetter: Im Hilfsaggregateraum: Hoher Wassergehalt in der Luft, aber ohne Nebel oder Rauch
Titel/Überschrift: Weihnachten im Hilfsaggregateraum