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184.21 – 23.07.2021 – Einmal mit den Besten arbeiten

Datum:   Freitag, 23.07.2021

Mittagsposition:   Irgendwo nordwestlich von Darß

Das Wetter:   Ca. 20 Grad, bewölkt

 

Einmal mit den Besten arbeiten

Vergangene Nacht haben wir, die 8-12 Wache, uns für den Wachwechsel etwas Besonderes überlegt. Beim Wachwechsel fasst der übernehmende Steuermann kurz zusammen, was der Plan für die nächsten 4 Stunden ist, und gibt die Order: „Verfang Roar und Uitkiek. Weg de Wach!“ Die abgelöste Wache ruft dann – normalerweise – auf Kommando ihres Toppsis „1, 2“: „Gode Wach!“, worauf die aufgezogene Wache auf Kommando ihres Toppsis „Und wir dazu“ antwortet: „Gode Ruh!“ Doch vergangene Nacht haben wir als abgelöste Wache auf das Kommando unseres Toppsis „1, 2“ folgendes „gerufen“:

„Sie haben das mächtige Meer unterm Bauch und über sich Wolken und Sterne.
Sie lassen sich fahren vom himmlischen Hauch mit Herrenblick in die Ferne.

Sie schaukeln kokett in des Schicksals Hand wie trunkene Schmetterlinge.
Aber sie tragen von Land zu Land fürsorglich wertvolle Dinge.

Wie das im Winde liegt und sich wiegt, Tauweb überspannt durch die Wogen,
da ist eine Kunst, die friedlich siegt und ihr Fleiß ist nicht verlogen.

Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. – Natur gewordene Planken
sind Segelschiffe. – Ihr Anblick erhellt und weitet uns´re Gedanken.

Sie hörten aus dem Kulturprogramm der 8-12er von Joachim Ringelnatz das Gedicht: Segelschiffe.“

Als Jan mich heute Morgen wecken wollte, war ich schon im Bad beim Zähneputzen. Ich will vor dem Aufbacken morgens – ich hatte bereits darüber berichtet – duschen, da danach keine Zeit mehr ist, weil um 0800 meine Wache beginnt. Wir hatten nur sehr wenig Wind und machten ca. 2-3 Knoten Fahrt. Da es nicht wirklich viel zu tun gab, haben wir die Segel getrimmt. Da es ein ruhiger Vormittag war, kam der bzw. die eine oder andere von den beiden Freiwachen vorbei und packte auch mal mit an. Ich kann das nachvollziehen. Jeder will wenigstens einmal mit den Besten arbeiten 😉 .

Auf einem Segelschiff wird es ja nicht langweilig. Wir nutzten die Zeit und führten verschiedene Wettbewerbe durch. Einer davon war, wer das schnellste Wetter macht. Der geneigte Leser wird jetzt sagen, dass wir doch das Wetter nicht machen, also nicht bestimmen können, wie das Wetter wird. Das ist natürlich richtig. Es geht darum, alle relevanten Wetterdaten in das „Wetterbuch“ einzutragen. Das machen wir stündlich. Zu den Wetterdaten gehören der Luftdruck, die trockene und feuchte Lufttemperatur, aus denen die relative Luftfeuchte ermittelt wird, die Wassertemperatur, die Windstärke und Windrichtung, die Beurteilung der See, die Bewölkung, der Magnetkompass- sowie der Kreiselkompass-Kurs. Das sind, wie alles andere auch, wichtige Daten, die erhoben werden, da diese ins Bord-Logbuch übernommen werden. Ich glaube, wir waren die Schnellsten – hehe.

Dann gab es die Leinen-, Nagel- und Segelkunde. Also wie heißen die Segel und laufen mit welcher Leine über welchen Nagel? Am besten gefallen mir die Namen von den Stag-Segeln. Das sind Schrat-Segel, die in Schiffsrichtung gehisst werden. Und die dazugehörigen Leinen sind dann die Fallen und die Niederholer usw., wie z. B. Vorstängestagsegel-Fall oder der Großstängestagsegel-Halsstrecker. Das sind einfach tolle Wortschöpfungen. Ich breche mir fast jedes Mal die Zunge, wenn ich probiere, das auszusprechen und könnte mich kringeln vor Lachen. Aber nee, geht nicht, ich muss ja arbeiten.

Auch wenn es den ganzen Tag über relativ bedeckt war, so kam gegen Abend dann doch nochmals die Sonne zum verabschiedete sich mit – mal wieder – einem wunderschönen Sonnenuntergang.

Rainer Merkhofer