Datum: 7.8.2025
Mittagsposition: 54° 57,6´N 006°25,1E
Das Wetter: SW 4-5
3 Tage hat uns Sturmtief Floris in Esberg warten lassen, bevor der Wind sich so beruhigt hatte, dass wir wieder auslaufen konnten. Die Zeit in Esbjerg wurde uns aber nicht lang. Viele andere Großsegler hatten hier Schutz gesucht und die Crews aller Schiffe besuchten sich gegenseitig. Auch die Innenstadt wurde rege erkundet. Dazu kam ein großes Übungsmanöver zum Thema Brandabwehr und gleichzeitiges Bergen einer verletzten Person.
Trotzdem waren wir alle froh, als wir Mittwochnachmittag endlich die Leinen loswerfen und wieder in See stechen konnten. Inzwischen haben uns der Alltag auf See und das Wachsystem wieder voll im Griff. 4 Stunden Wache tagsüber und 4 Stunden nachts. Da lernen alle das Schiff gut kennen.
Jetzt habe ich gerade Freiwache. Ich stehe an der Reling, schaue über das Wasser und sehe nichts als Wellen, Himmel, Wolken und Möwen. Der Alltag ist längst hinter mir geblieben. Arbeit, Aufgaben und Herausforderungen von zu Hause sind vergessen. Hier zählt nur, ob ich Wache habe oder nicht, wie der Wind ist und vielleicht noch, was es wieder Gutes zu essen gibt.
Die Welt ist reduziert auf das Leben an Bord der Alex. Kein Internet, kein Fernseher oder streaming, kein social media, kein Handy und keine KI! Da habe ich Zeit, meine Gedanken fließen zu lassen und ich stelle mir viele Fragen:
Wo schläft eigentlich der Klabautermann? Können Delfine träumen? Was machen Möwen, wenn es regnet? Kann man den Regenbogen berühren? Schmecken Wolken nach Zuckerwatte? Und können Robben eigentlich seekrank werden?
Später sitze ich mit meiner Wache zusammen. Wir sind bunt zusammengewürfelt. Erfahren Seebären und Segelneulinge. 15-jährige Jugendliche und über 70-jährige Mitsegler. Verschiedene Lebenserfahrungen, unterschiedliche Berufe und Wohnorte. An Land wären wir uns so wohl nie begegnet. Uns hier an Bord sind wir zu einer Wache zusammengewachsen. Wir haben zusammen einen Sturm durchsegelt, eine Flaute ausgesessen, zusammen gehalst, gebrasst, gesungen und gelacht. Wir haben uns kennen- und respektieren gelernt und arbeiten als eine Crew zusammen.
Und vielleicht finden wir ja gemeinsam eine Antwort auf meine Frage, ob Delfine träumen können.