Tagesbericht 07.08.2019
Törn: 139.19
Datum: 07.08.2019
Mittagsposition: Dublin
Das Wetter: Irischer Sommer, 17 Grad, Sonne, Wolken, wenig Regen,
Titel/Überschrift: Liverpool und Dublin – Rückblick und Ausblick
Wir segeln noch. Die Alex meldet sich nach einigen berichtslosen Tagen zurück. Am Freitag, 2.8.19, hat sie Liverpool erreicht. Leider konnten wir nicht am vorgesehenen Liegeplatz im touristisch sehr attraktiven Canning Dock nahe des Zentrums festmachen, sondern bekamen einen Platz im Industriehafen zugewiesen. Statt Showtime vor den Touries also graue Lagerschuppen um uns herum und rostige Seelenverkäufer. Bremerhafen hat alle Neuankömmlinge rechtzeitig informiert, sodass der Crewwechsel am Samstag prima funktionierte. Große Auswahl an Pubs hatten die Landgänger am Abend nicht, dafür gab´s das Ale und den Whisky in einem Pub, in dem sicher schon Generationen von Seeleuten sich einen getüdelt haben. Beim Auslaufen am Sonntag war dann noch einmal ein sterbender Hafen zu beobachten. Heruntergekommene Lagerschuppen, sogar ein halb gesunkenes, offenbar im Schlick aufliegendes Sightseeing-Boot, rostige Kräne, Metallschrottberge, die noch als Schüttgut verladen werden. Das wird wohl bald genauso verschwunden und durch Hafencity-Glas-und-Beton-Architektur ersetzt sein, wie in so vielen Häfen der Welt und auch zuhause an den Küsten.
Vom Industriehafen ist es nur ein Steinwurf über den River Mersy bis ins offene Meer, wo wir Kurs auf die irische See nahmen. Der Wettergott war launisch. An Groß und Fock konnten wir Unter- und Obermars setzen, das Stengestagsegel am Klüver dazu, und damit ging es bei leichtem Wind nordwestwärts. Wenig Arbeit an Segeln und Rigg heißt auf der Alex: Viel Zeit für die Ausbildung der lernbegierigen Trainees. Ich habe die angenehme 8-12-Wache, also Dienst an Deck zwischen Frühstück um acht Uhr und Mittagessen um zwölf und dann nochmal von 20 Uhr bis Mitternacht. Die anderen beiden Wachen schieben Dienst von 0-4 und 12-16 Uhr sowie 4-8 und 16-20 Uhr, angeleitet von den Topsis – Topsmatrosen. Unser Topsi Julia weiß die Zeit bestens zu füllen. Sicherheitseinweisung, erklären, wie das Rigg der Alex konzipiert ist und was uns bei der Bedienung erwartet. Nächste praktische Anwendung: Wir setzen beide Großsegel dazu. Aber Neptun bleibt launisch. Nachdem am nördlichen Horizont die Isle of Man zu sehen war, gab´s in der Nacht eine Halse, der sich ein langer Schlag südwärts anschloss, allerdings meist mit wenig Fahrt. Dann aber war der Wind komplett gegen uns und unter Motor nahmen wir Kurs auf Dublin. Dort mussten wir vor 5 Uhr früh sein, um eine Brücke passieren zu können, die immer nur kurze Öffnungszeiten hat.
Seit gestern – Montag – früh liegen wir am Kai des River Liffey in Dublin. Der Tidenhub beträgt hier gute 3.5 Meter, deshalb führt die Gangway aufs Oberdeck. Vor uns eine schicke moderne Drehbrücke. Trägerseile, die an eine Harfe erinnern, führen zu einem drehbaren, S-förmig geschwungenen Mast. Sieht sehr futuristisch aus. Dahinter liegt noch ein Traditionssegler, der gleich Julias Neugier weckt, weil er offenbar nach einer zweihundertfünfzig Jahre alten Methode getakelt ist. Während ich dies schreibe, ist sie mit wissbegierigen Crewmitgliedern dort, um sich historisch zu bilden. Sonst ist kaum Schiffsverkehr auf dem Liffey, der auch bald zu einem breiten Bach schrumpft. Heute säumen hier moderne Büro- und Wohnhäuser die Ufer. Die letzten als frühere Hafenschuppen erkennbaren Gebäude sind modernisiert und beherbergen bevorzugt Pubs oder Cafés. Hier kann unsere stolze Bark natürlich mal wieder angemessen bestaunt werden. Wir haben in ruhigen Stunden auf Wache sogar das Messing dafür poliert.
Was macht die Crew abends in Dublin? Klar: Pubs erkunden, Guiness und andere einheimische Biere trinken, Irish Whiskey probieren, singen, lachen. Haben wir alles gestern gemacht, ortskundig unterstützt von Phillip, unserem Trainee-Kollegen aus Irland. Er hat sich auch einen deutschen Song gewünscht: Oh Tannenbaum… Wie haben´s ihm ausgeredet, sind aber um „Ännchen von Tharau“ und „Sah ein Knab ein Röslein steh´n“ nicht herumgekommen. Dann fielen uns noch „Lilli Marleen“ und andere maritime Gassenhauer ein – der Abend war gerettet, die anschließende Nacht sah uns friedlich in den Kojen.
Seit heute morgen dominiert uns die Spannung, wann es heute weitergeht. Wieder hängen wir von den Brückenöffnungszeiten ab. Zwischen zwei und drei Uhr am Nachmittag können wir auf die große Reise Richtung Biskaya gehen. Seit gestern haben wir einen neuen Kapitän: Klaus Ricke hat Mike Vosgerau abgelöst und bringt uns nach Bilbao. Am Morgen sah sein Törnplan noch Südkurs vor. Aber neue Wetterberichte machen jetzt seine ursprüngliche Idee, einen großen Schlag nördlich um Irland herum doch noch möglich und so haben wir nach Verlassen der Fahrrinne schon auf Nord gedreht. Der Wind soll unterwegs wechseln, aber wohl immer ausreichen, um unter Segel fahren zu können. Er kann aber auch auf acht und mehr Windstärken anwachsen, so dass wir gute Chancen auf kräftiges Biskaya-Wetter bekommen. Ich werde Euch davon berichten – jetzt da ich mich doch wieder zum Erzählen habe breitschlagen lassen, auch täglich. Drückt uns die Daumen!
Es grüßt von Bord der Alex-2 für die ganze Crew
Wolbert