Tagesbericht
Törn: 113.19
Datum: 14.04.2019
Mittagsposition: 50° 2,5‘ N 1° 38,9‘ W
Das Wetter: sonnig, aber kalter Wind, Höchsttemperaturen um 9 °C
Titel/Überschrift: Auf den Spuren der Titanic?!
Oben im Norden Frankreichs, wo die Küsten rau und die Winde noch rauer sind, starten wir unseren Törn Cherbourg-Bremerhaven. Damit sind wir Anfangs auf den Spuren eines großen Dampfers. Vor über 100 Jahren begann auch die Titanic hier ihre Reise. Auf Bildern am Hafen sieht man: Sie muss genau dort gelegen haben, wo bis Sonntag früh noch die Alex II lag.
Unsere Abfahrt war um 6 Uhr morgens. Wachantritt der 4-8-Wache war um 5 Uhr, wir wurden also noch etwas verschont. Bei der Ausfahrt vom Hafen ist die Stammcrew vollständig anwesend und war schon bei der Arbeit. Erst stehen wir Trainees noch etwas verloren dazwischen. All die Nägel, Seile und Blöcke – das kann schon etwas einschüchternd sein … Doch die anfängliche Scheu legt sich schnell. Die Gangway (der Steg von Land an Bord) muss vom hinteren Teil des Schiffes in die Mitte gebracht werden. Über sie kommt der Lotse an Bord.
Auf See verlässt er es über eine Strickleiter. Die vorzubereiten, das war meine Aufgabe. Mit einem Karabiner am Schiff befestigt, saß ich also auf der Reling. Links neben mir geht es ca. drei Meter tief ins dunkle Hafenbecken. Und dann bewegt sich auf einmal das Schiff. Ganz langsam, aber doch so, dass man kurz nochmal prüft, ob der Karabiner auch wirklich richtig sitzt.
Langsam steuern wir auf‘s Meer hinauf, an beiden Seiten des Schiffs leuchten die Lichter von Cherbourgh und des Hafens. Dann fangen sie an zu tanzen – immer hoch und runter. Ganz leicht, dann immer stärker. Und mein Magen – der tanzt mit. „Das ist doch noch gar nichts,“ sagen die Erfahreneren unter uns. Nun ja, für mich als Landratte aus dem Süden Deutschlands, die sonst eigentlich Berge aus Gestein statt aus Wasser erklimmt, macht sich das schon bemerkbar.
Gut ist es da, wenn man beschäftigt ist: Wie auch die Titanic nehmen wir erstmal Kurs auf England. So kommen wir trotz Gegenwind dazu, Segel zu setzen. Der Befehl des Topsi lautet: „An die Vorderstengelstarksegel!“. Gemeint ist damit eines der vordersten „kleinen“ Segel (Vorstengestagsegel Anm. d. R.). Und eigentlich meint sie: „Könntet ihr wohl bitte, wenn ihr mögt, an das Segel …“ Aber dafür ist hier nicht immer Zeit, deshalb gab’s ein „Bitte“ und „Danke“ vorm Törn – Zeitmanagement auf Seemannsart.
Gegen 7 Uhr kommt die Belohnung für das frühe Aufstehen: Die Sonne klettert über den Horizont und taucht den Himmel in Pastelltöne. Um 8 Uhr ist Wachwechsel: endlich Frühstück! Bei mir ist das heißer Tee und ein Stück Brot – im Stehen, der Blick immer durch das Bullauge auf den Horizont. Danach geht’s mir besser und auch der ein oder andere bekommt wieder etwas Farbe im Gesicht. Vielleicht werden wir ja doch noch richtige Seefahrer.
Zeit zum Üben bleibt uns ja noch. Anders als die Titanic ziehen wir nach Osten – und wir haben auch fest vor, dass der Starthafen die einzige Gemeinsamkeit bleibt.