Tagesbericht
Törn: 132.19
Datum: 02.06.2019
Mittagsposition: Im Hafen von Gdynia
Das Wetter: Tolles sonniges Wetter und ein klein wenig Wind
Titel/Überschrift: Sail away
‚Sail away …‘: Mit krachendem Einsatz der Bordlautsprecher und Werbungsassoziationen weckend wird die Mannschaft um sieben Uhr wach, nun, nicht gerüttelt, aber getönt.
Allerdings stehen bereits die Lieferanten mit dem Proviant auf dem Kai und bringen den Tagesablauf durcheinander. Das Frühstück muss verschoben werden und alle packen an, um Gemüse, Dosen, Wasserflaschen usw. entweder kleinteilig über Menschenketten in die jeweilige Last zu schaffen oder auf Paletten zu stapeln und mit dem Kran in den Bauch der Alex zu fieren. Das stellt sich für den Beobachter als mittleres Chaos dar, führt aber wie immer zum Erfolg.
Auch die kurzzeitige Panik, der Biertransporterlieferant könnte nicht zum Schiff durchkommen, weil ein Stadtmarathon stattfindet, stellt sich als überflüssig heraus: Karton für Karton wandert die grünen Schachteln mit der Hausmarke der Alex nach unten. Am Ende ist die Getränkelast bis obenhin voll und zumindest in dieser Hinsicht ist für den weiteren Verlauf des Törns kein Unheil zu befürchten.
Nach dem verspäteten Frühstück dann Riggeinweisung. Für die Trainees, die zum ersten Mal dabei sind, ein Anlass für Herzklopfen, aber die Neugier ist stärker. Und bald schon hängen die Forschen über den Rahen, während sich die Vorsichtigeren auf der ersten Saling drängen. Schnell herrscht Übereinstimmung: das ist das Größte: Hochklettern und von oben auf das Deck schauen, im Hintergrund die ‚Skyline‘ von Gdynia, geprägt durch zwei, drei Hochhäuser, eines davon ein Hotel.
Kurz nach 14 Uhr beginnt das Ablegemanöver, das ganz in Händen von Kapitän Ingo und der Stammcrew liegt. Als der polnische Lotse an Bord ist, geht es los. Das Schiff löst sich langsam vom Kai, die Leinen werden losgemacht, es treibt rückwärts ins Hafenbecken, um dann langsam in einem großen Bogen durch die Hafeneinfahrt Gdynia zu verlassen.
Abgesehen von den Stammleuten verbannte Toppsi Roman die 0-4-Wache auf das Dach des Kartenhauses („Bitte mit dem Gurt am Besan anpicken!“), um von dort aus das Geschehen zu beobachten und den neugierigen Passanten zuzuwinken. Außerdem waren wir so aus dem Weg, denn Ablegen gehört zu den kniffligen Manövern, was auch am Kommandoton des Lotsen abzulesen war. Beiläufig machte er lautstark einen Jungen rund, der meinte, er könne mithelfen und sich am Ufer an einem der über den Poller geworfenen Taue zu schaffen machte.
Ins Offene! Als der Lotse das Schiff verlassen hatte, nahm die Alex Fahrt auf. Der Hafen weitet sich zur Bucht, dann zur Küstenlinie. In der Ferne die Kräne der Danziger Werft, deren Arbeiter und mit ihrem Anführer Lech Walesa entscheidend zur Befreiung Polens beigetragen haben. Und schließlich nur noch das Meer. Leider erst einmal Gegenwind, so dass keine Segel zu setzen waren.
Der Berichterstatter meldete sich für den Ausguck und wurde trotz Sonnenschein und Alex-Jacke samt Kapuze ziemlich durchgeblasen. Nach dem Ausguck keine Chance mehr, an Kuchen zu kommen, der von der hungrigen Meute bereits restlos vertilgt war.
Unter Deck hat Beate, die Oberbackschafterin, alles im Griff und sorgt dafür, dass die Backschaft alles ordentlich und rechtzeitig herrichtet und mit dem Abendessen erst begonnen wird, wenn ‚geglast‘, also mehr oder weniger laut die Glocke in der Messe angeschlagen wurde.
Fahrt unter Maschine. Es gibt Befürchtungen (siehe Wettervorhersage), dass das den ganzen Törn so bleiben wird.
Aus dem Leben der 0-4: Als wir um Mitternacht an Deck kommen, ist es erstens noch fast hell und zweitens sind, falls der Ausdruck erlaubt ist, bei relativ absoluter Flaute ein paar Segel gesetzt. Stille auf dem Schiff, nicht das geringste Schaukeln, man hört nur das monotone Geräusch der Lüfter. Außerdem ist es sehr kalt. Die Wettermacher stellen 10 Grad Wassertemperatur und allenfalls 11 Grad Lufttemperatur fest. Wer noch was hatte, zog das an und fror sich dem Wachende entgegen. (Zugegeben: Das ist eine subjektive Aussage. Aber im T-Shirt war wirklich niemand zu sehen). Nächtliche Vorstellungsrunde. Zwischendurch zum Aufwärmen in die Messe.
Toppsi Roman blieb guter Dinge und begann mit seinen Ausführungen zu mancherlei Dingen das Schiff betreffend. Kurz nach vier Uhr ging dann die Sonne auf, als wir beim ‚Wachbier’ saßen.
Franka, Fachfrau für alles was Nautik und Astronomie betrifft, bestimmte derweil mit Hilfe des Sextanten, des Planeten Jupiter und diverser mathematischer Zauberkünste sehr genau die Position des Schiffes. Wie in der Presse zu lesen war, müssen Offiziere der amerikanischen Marine das inzwischen auch wieder lernen. Denen sind wir dank Franka klar voraus.
Übrigens: Einigen wenigen der Wache gelang es tatsächlich, mit dem Fernglas zwei Monde des Jupiters auszumachen. Die anderen sahen immerhin einen leuchtenden Punkt, der kosmische Tänze aufführte.
Es grüßen Kapitän Ingo, Matthias und der Rest der Crew