Tagesbericht
Törn: 151.21
Datum: 04.04.2021 – Sonntag
Mittagsposition: Irgendwo im Nirgendwo auf der Nordsee – auf dem Weg nach Helgoland
Das Wetter: Bedeckt und neblig
Titel/Überschrift: Die Wendehalse oder „So täusche ich den Gegner“
„Es ist 7 Uhr lieber Rainer, guten Morgen. Wir haben 4 Grad, der Wind weht mit 3 – 4 Beaufort. Der Himmel ist bedeckt und es könnte sein, dass es gleich nieselt. Du hast um 8 Uhr Wache.“ Ach wie schön sind gute Gewohnheiten. Ob ich wohl meine Frau bitten soll, dass ich künftig auch zu Hause … – das lasse ich besser mal?! Es gibt Dinge, die gehören zum Schiff und die bleiben auf dem Schiff.
Nachdem klar war bzw. ist, dass wir ab der Nacht von Montag auf Dienstag „auf die Mütze kriegen“, weil das Sturmtief über Island mit 8 Windstärken und Schneesturm auf uns zukommt, hat unser Kapitän einen Platz an der Pier auf Helgoland für uns reserviert. Da wir wohl nicht vor dem Eintreffen der ersten Sturmausläufer ankommen werden, gab es die Ansage, auf unserem Weg nach Helgoland, noch das eine oder andere Manöver zu fahren. Zum einen, um etwas Zeit zu „vertrödeln“, damit wir ein Zeitfenster in der Nacht von Sonntag auf Montag, an dem der Wind drehen soll, für unser Anlegemanöver erwischen. Zum anderen, weil wir unverändert ein Segelausbildungsschiff und genau dafür an Bord sind, Manöver zu trainieren.
Also wollten wir, statt einer Halse zu fahren, was einfacher und auch der kürzere Weg gewesen wäre, zwei Wenden nacheinander fahren. Dass bei einer Wende das Schiff mit dem Bug durch den Wind geht, das hatte ich dieser Tage schon beschrieben. Jetzt nochmals etwas genauer. Die Alex-2 kann bis maximal ca. 60 Grad an den Wind fahren. Also hat sie einen Wendewinkel von ca. 120 Grad. Die Fahrt des Schiffes muss ausreichen, um „die Nase“ auf den anderen Bug „zu drücken“. Wenn das Schiff zu langsam ist, dann kommt es nicht herum und bleibt „unterwegs“ stehen. Außerdem spielt die Welle auch noch mit. Wenn das Schiff gegen den Wind geht, dann geht es eben auch gegen die Welle. Und diese kann das Manöver stoppen. Dann hat sich das Schiff „in der Welle festgefahren“ und es besteht keine Chance mehr, herumzukommen.
So ist es uns passiert. Die Alex-2 machte vor Einleiten der Wende ca. 3,2 Knoten Fahrt. Dann bargen wir nacheinander die Fock und das Gross, damit sie dem Wind beim Drehen der Rahen nicht zu viel Angriffsfläche bieten und dadurch das Schiff bremsen. Andererseits wird durch die Reduktion der Segelfläche aber auch die Fahrt aus dem Schiff genommen. Da der Wind im Moment des Manövers etwas nachließ, machte unser Schiff nur noch 2,2 Knoten Fahrt. Das ist schon ein bisschen wenig. Bei spiegelglatter See würde das Manöver vielleicht doch funktionieren, nicht aber wenn, wie bei uns, eine signifikante Welle gegen uns steht, die den Drehvorgang unserer Alex-2 in der Wende abstoppte. Stehen bleiben war keine Option, zurückfahren auch nicht. Also gab der Steuermann die Anweisung, „Klar zur Halse“. Diese war schnell ausgeführt und wir nahmen wieder Fahrt auf.
Da die Alex-2 auch Regatten fährt, haben wir nach dem Debriefing überlegt, ob wir das Manöver nicht vielleicht in das Standardprogramm übernehmen. Da es in der Seefahrt klare Ausweich- und Kurshaltepflichten gibt, und manch ein Regattagegner durch geschickte Manöver den Kurs und damit die Strategie mancher Gegner zunichtegemacht hat, so könnten ja auch wir, so wie es in anderen Sportarten durchaus auch üblich ist, ein Manöver antäuschen, dann aber ein ganz anderes Fahren. Also, den Gegner überraschen, ihn täuschen und dann völlig verwirren. Ich sollte mal überlegen, ob ich mir dieses Manöver – die Wendehalse – nicht patentieren lasse!?
04.04.2021, Rainer Merkhofer