Törn: 33423
Verfasser: Michael
Datum: Do.: 01.06.2023
Mittagsposition: 55°25‘10 N 17°38´40 E
Das Wetter: Sonne, Wind 5 -7 Knoten aus 240°WSw
Titel/Überschrift: Auf dem Weg zum Leichtmatrosen
Tagesbericht 01.06.2023
Um es gleich vorweg zu nehmen: mich hat der “Grüne Virus voll in seinen Bann gezogen“ – ein Virus, dem man Wohlgesonnenen gegenübersteht, denn er steht symbolisch für die Begeisterung am Segeln mit der Alexander-von-Humboldt-2. So war es nur folgerichtig, wieder an Bord der Alex zu gehen.
Während bei meinem ersten Segeltörn noch der Urlaubscharakter im Vordergrund stand, hat der zweite Törn im letzten Jahr die vielen tollen Erlebnisse am Segeln auf einer Bark bestätigt. Der Grüne Virus entfaltete also frühzeitig seine Wirkung. So wollte ich das Segeln mit einem weiteren, dritten Törn auf jeden Fall fortsetzen, mit dem Anspruch, weiter Seemeilen zu sammeln, Fertigkeiten zu vertiefen und schließlich herauszufinden, ob dies schließlich in die Qualifikation zum Leichtmatrosen münden könnte.
Zunächst ging es in Travemünde an Bord. Sogleich begegnete ich einige bekannte Mitsegler und Mitseglerinnen – die Freude war groß und es stellt sich schnell das Gefühl einer Familie ein. Das Ein-Checken spielt sich zwischenzeitlich bereits nach bekanntem Ablauf ab: Zuteilung der Koje, Beziehen des Bettzeugs sowie Einrichten des schmalen Schrankes. So ein Zufall – ist es doch für mich die gleiche Koje und der gleiche Schlafplatz wie im letzten Jahr. So fühlte ich mich wie zu Hause, als wäre der zurückliegende Törn “erst gestern“ gewesen. Auch in das Bordleben fügte ich mich schnell wieder ein: der Wachdienst gibt den Rhythmus von Schlafen, Essen, Wache und Freizeit vor. Mit der Zuordnung zur 8-12-Wache bin ich zufrieden, denn sie entspricht am ehesten dem herkömmlichen Schlaf-Rhythmus (Wache von 8-12 Uhr morgens sowie 20-24 Uhr am Abend). Der Beginn des Segeltörns spielte sich wie gewohnt ab. Wo würden also neue Herausforderungen für mich mit diesem Törn liegen?
Nach dem Auslaufen aus Travemünde musste zunächst der Motor für Vortrieb sorgen. Die ruhige See ermöglichte es, sich wieder im Rigg zurecht zu finden. Schnell erinnerte ich mich an die Tritte in den Wanden (seitliche Zustiege hinauf in die Masten, auch Topps genannt) und die erforderlichen Sicherungen mit dem Klettergurt. Dabei geht es auf die Rahen in luftiger Höhe über dem Schiff. Zurückliegend gelang ich bis zur Rahe der Obermars, dem mittleren der fünf übereinanderliegenden grünen Segel an Groß- oder Vortopp. Diesmal sollte es weitergehen: und tatsächlich, mit etwas Mut und unter den begleitenden Blicken meines Toppsmatrosen stand ich auf dem Fußpferd, einem Seil in halber Beinlänge unterhalb der Rahe der Bram, dem zweithöchsten Segel. Wie in meinen Erinnerungen waren die Blicke abermals beeindruckend: in der Tiefe (rund zwanzig Meter unter mir) das Hauptdeck der Alex und in der Fernsicht die Weite der Ostsee, die den Alltag schnell vergessen lassen. Anstrengung und etwas Überwindung haben sich also wieder gelohnt. Zufrieden auf Deck zurück stellte ich also meinen ersten Fortschritt auf der Alex-2 fest.
Am zweiten Segeltag stellte sich Wind ein, der ausreichend stark war, Segel zu setzen. Dazu sind einige Tampen zu bedienen. Das ist Tauwerk, das von den Segeln herabgeführt und an den Masten im Mastgarten in bestimmter Anordnung auf sog. Nagelbänken angebracht, in der Seesprache “belegt“, ist. “Von vorne nach hinten“, “von oben nach unten“ und “von innen nach außen“ – dies sind die Grundregeln, nach jenen die Tampen in Reih‘ und Glied angeordnet sind, um sie den Segeln eindeutig zuordnen zu können. Während der sog. Tampenplan während des ersten Segeltörns noch ein “Buch mit sieben Siegeln“ war, steuere ich nun zielgerichtet die Tampen an. Diese Orientierung gibt Genugtuung und man gibt die Erfahrungen gerne an Mitsegler(innen) mit ersten Segeltörn weiter, die leicht an den fragenden Blicken an der Nagelbank zu erkennen sind.
Der Wind liegt gut an, und so können wir Segel für Segel setzen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes Handarbeit: in Reihe stehen mehrere Trainees und ziehen auf das Kommando ihres Toppsmatrosen an einem Tampen, bis das betreffende Segel seine Größe entfaltet und bestenfalls bauchig im Wind steht. Damit aber noch nicht genug, denn es ist noch an den Wind auszurichten: das sog. Brassen der Rahe. Liegt dazu der Tampen in der Hand, spürt man sehr schnell die Kraft des Windes. Das Belegen, also das Festmachen des Tampen an der Nagelbank, wäre mit Muskelkraft alleine nicht mehr zuverlässig möglich. Deshalb hilft ein Stopper, ein kurzes Tau, der den Tampen fixiert. Der dazu erforderliche Knoten war mir leider nicht mehr geläufig. Die Leichtmatrosen stehen aber sofort bereit und helfen, ihn wieder zu lernen. So gelingt es, mich noch intensiver im Wachdienst einzubringen.
Neue Höhen bis zur Bram, Verinnerlichung des Tampenplans und das Setzen des Stoppers sind also meine Fortschritte mit diesem Segeltörn und das Lernen soll weitergehen!
Zwischenzeitlich hat uns der Wind bis in die Gewässer der Ostsee nördlich von Danzig gebracht. Er soll uns erhalten bleiben, so dass sich in den nächsten Tagen einige Möglichkeiten bieten, Manöver wie Wenden und Halsen zu segeln. Dazu werden die gelernten Fertigkeiten sicherlich vielfach Anwendung finden. Ich bin gespannt, wie mein Weg zum Leichtmatrosen weitergehen wird.
Trainee Michael