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23.12.2021 – Auf in den wilden Westen

Es begab sich zu einer Zeit, da machten sich 74 abenteuerlustige Jugendliche und jung gebliebene auf in den wilden Westen…

Unsere diesjährige Weihnachtsgeschichte beginnt auf den Kap Verdischen Inseln. Während ein Großteil der Abenteurer bereits vom Vortörn an Bord war, begann das Abenteuer der Neuankömmlinge im fernen Europa mit den unterschiedlichsten Formalitäten der Transitländer. Dass geographische Kenntnisse zur Seefahrt gehören ist ja bekanntlich Seemannsgarn und so trafen fast alle im Hafen von Mindelo auf der gewünschten Insel Sao Vicente ein. Nur drei Könige aus dem Morgenland verschlug es auf das über 100 km entfernte Boa Vista. Keine so schlechte Trefferquote, bestehen die Kap Verden doch insgesamt aus 15 weit auseinanderliegenden Inseln. Gäbe es auf den Kap Verden noch Inlandsflüge, wie das bis vor einiger Zeit der Fall war oder hätten die gelegentlich durchgeführten Fährfahrten Fahrpläne, wäre es an dieser Stelle keiner Erwähnung wert gewesen. Leider handelte es sich bei den drei Königen um unsere Köche und so war die Freude groß als sie mit zwei Tagen Verspätung am Dienstag, 21. Dezember 2021 nach dutzenden Stunden Fährfahrt unser Schiff in Mindelo erreichten.

Verhungert war bis dahin niemand dank milder Gaben vom Vortörn und der helfend eingesprungenen neuen Crew. Die Crew besteht weiterhin aus den Schülern der „Class Afloat“, deren Lehrern sowie der Stammbesatzung unserer Alex II. Eine motivierte, energiegeladene Gruppe aus über 10 Ländern der Welt mit einem gemeinsamen Ziel: dem Westen. Es soll über Trinidad nach Barbados gehen, wo diese Etappe am 18. Januar 2022 enden soll.

Bei konstanten Temperaturen von 22 Grad haben alle die letzten Tage mit Landgängen auf Sao Vicente verbracht, sich mit den Crews der ebenfalls im Hafen bzw. auf Reede liegenden Sörlandet und Thor Heyerdahl ausgetauscht oder das Bad im kühlen Atlantik genossen. Wer beruflich und geographisch eine neue Heimat sucht, dem sei gesagt, dass es hier noch keine Eiscafés gibt. Weiß man um den Eisbedarf der Alexsegler, weiß man dass dieses eine Marktlücke ist (zumindest, wenn die Alex alle paar Jahre vorbei kommt).

Inzwischen sind wir zwei Tage auf See. Nachdem wir Köche, den restliche Proviant, Bettwäsche und die für die Ausreise freigegebenen Pässe eingeladen hatten, ging es am Dienstag planmäßig los. Der Wind wurde unser Antrieb, die Wachen fanden sich erneut. Nach einer vorübergehenden Flaute in der Landabdeckung von Santo Antao laufen wir inzw. bei halber Rahsegelfläche und achterlichen Winden auf dem Kurs, der sich die nächsten Wochen kaum ändern wird gen Westen. Genutzt wurde die Flaute in einem unbeobachteten Augenblick von der 4-8 Wache für – ob gewollt oder nicht bleibt ihr Geheimnis – poetische Kurse auf der Seekarte. So kurz vor Weihnachten entstand ein wunderschönes Herz in unserem Kielwasser.

Für die Schüler bedeutete das Auslaufen neben dem Wachgeschehen ebenfalls die Wiederaufnahme des Schulunterrichts. Gestern stand das Sezieren von Fischen auf dem Lehrplan. Das schien die Unterwelt neugierig gemacht zu haben und prompt landete der erste fliegende Fisch an Deck – eine gewaltige Leistung, wenn man die Höhe unserer Bordwand berücksichtigt. Ein wunderschönes, schillernd blaues Tier, dass später eine gebührende Seebestattung bekam.

Unabhängig davon wird dem Weihnachtsfest entgegengefiebert, ein Weihnachtschor führt tägliche Proben durch, unser prächtiger Weihnachtsbaum wurde bereits abgestaubt und die Dekoration bereit gelegt. Gerüchten zufolge wird es in diesem Jahr sogar zwei Feste geben, denn während Weihnachten für Deutschland in der Regel bereits der 24. Dezember ist, so fällt das Fest bei vielen anderen Nationen auf den 25. Dezember. Nach dem Motto „das Beste aus zwei Welten“ können wir uns das nicht entgehen lassen.

Soviel für die ersten fünf Tage an Bord, Grüße aus dem Nordatlantik (4000 m über dem Erdboden) auf dem Weg gen Westen.

Frohe Weihnachten von Bord von der gesamten Mannschaft.

 

Mittagsposition:   16° 32.1’ N, 27° 53.2’ W

Das Wetter:   sonnig, teils leicht bewölkt, 23 Grad