Törnbericht Spezial
Haariges
c/o Frisiersalon „Zur flotten Flunder“
Mist, nun komm´ ich doch nicht drum herum! Ich wurde gebeten, über gewisse „Untergrundaktivitäten“ an Bord zu berichten:
Als wir seinerzeit, anno März 2020, im beginnenden Corona-Lockdown auf der Werft in Harlingen fleißig waren, wurde der Grundstein gelegt. Arbeiten an Bord unter gelber Quarantäneflagge, „Draußen“ alles dicht – auch die Frisiersalons geschlossen.
So kam es, dass ein uns allen bekannter und beliebter Koch – seines Zeichens völlig zugewachsen, ähnlich dem kleinen Bruder des Weihnachtsmannes – auf dem achterlichen Spill hockend mittels Uschis grüner Allzweckschere wieder erkennbar zum Oskar gemacht wurde.
Aus den Reihen der überraschten Gaffer wurden nach und nach ebenso Veränderungswünsche vor der Heimreise laut.
Im Nu hatte ich, Andrea, Leichtmatrosin, Waschfee, damals Kochmaatin, jetzt Kombüsensurvivor und „Mamaaa“ für einige unserer Class Afloat Schüler, eine beachtliche Kundschaft von Kombüse, Maschine über Deckhands bis hin zu Kapitänen und Steuerleuten. ;).
Der Friseursalon „Zur flotten Flunder“ war wie von selbst in unserem Dorfgemeinschaftsraum etabliert. (Der Dorfgemeinschaftsraum wurde übrigens von den Schülern, die dort Unterricht verschlafen äh genießen durften, in „Dungeon“ umgetauft).
Schon einiges Haar ist dort gefallen, jedoch – ich schwöre – noch keine einzige Träne geflossen!
Auf unseren Class Afloat Törns wurden besonders vor den Feiertagen einige Häupter verschönert. Selbst unser lieber Messerschmied-Fred legte großen Wert auf akkurate 3 mm Restlänge seiner wenigen verbliebenen Haupthaare; beim Barttrimming gab es da wesentlich mehr zu tun. Danke für deine Geduld mit mir, lieber Fred J.
Meine Hochzeit im schneidenden Gewerbe hatte ich jedoch als furchtbarer piratiger Barbier bei unserer Äquatortaufe Anfang Januar des Jahres. Jeder Täufling sollte Neptun, dem Herrscher der Meere, ein Stück seiner Haarpracht opfern.
Unsere überaus mutige Chief-Engineerin Katrin eröffnete des Reigen mit ca. 10 cm großzügig dargebrachten Opfer ihres langen Pferdeschwanzes. Mit der riesigen Industrieschere aus unserer Deckswerkstatt entsprechend in Szene gesetzt, ließ die erzielte Wirkung nichts zu wünschen übrig: Ein lauter Aufschrei der am Boden kauernden Täuflinge ging über das Hauptdeck und erschütterte für einen Moment die krachenden Atlantikwellen am Vorschiff.
Die folgenden Opfergaben fielen höchst unterschiedlich aus (und keine Sorge; MEISTJ nach eigenem Wunsch), von ganz, ganz wenig aus dem Nacken bis „Bitte einmal komplett rasieren!“. So hatten wir nach der Taufe scheinbar einige „neue Passagiere“ an Bord – kahlköpfig, fröhlich, mutig gestärkt mit neuem Fischnamen. Danke für euer Vertrauen! Thank you for your faith, guys!
Im Nachgang gab´s noch einige „Reparaturarbeiten“ – teils für mich; größtenteils jedoch angestachelt und inspiriert durch die vielfältigen Veränderungen durch „die kids“ selbst. Plötzlich wurde überall frisiert; in den Gängen, auf den Kammern, an Deck! Die Haare sind hoffentlich bald alle weg…
Liebe Uschi, deine Schere taucht vielleicht auch bald wieder auf ;). (Ich habe übrigens seit Harlingen mein eigenes „professionelles“ Haarschneidezeug im Seesack).
Kapitän Harald machte zu seinem runden Geburtstag im neuen Alex-Polo-Shirt mit frisch frisiertem Haupthaar und getrimmten Seebär-Bart eine echt flotte Figur, um die riesige, von unserem amtierenden Koch Mario gezauberte Alex-Geburtstagstorte anzuschneiden. Der Koch übrigens auch in neuer frisch-fröhlicher Karibik-Poller-Frise.
Tja, Friseursalon „Zur flotten Flunder“ – immer eine Empfehlung zu Corona-Lockdown-Zeiten wie auf hoher See! 😉
Bleibt gesund und frisch verföhnt!
Die Andrea
Irgendwo vor Martinique, 26. Januar 2022